Weisheitsgeschichten

Jeder ist unser Lehrer

"Als ich mich einmal in einer Stadt befand, wo ich eine Rede halten sollte, ließ ich mir auf der Straße meine Schuhe putzen. Ich war mit einer Freundin unterwegs, und während wir uns unterhielten, bemerkte ich, mit welcher Begeisterung der Mann meine Schuhe polierte. Meine Schuhe waren niemals mit so behutsamer, liebevoller Fürsorge geputzt worden. Der Mann lächelte über das ganze Gesicht und schien in einem Zustand der Glückseligkeit zu sein. Er nahm sich mehr als fünfzehn Minuten Zeit, um meine Schuhe blank zu bürsten. Als ich ihm sagte, dass niemand sich bislang so intensiv um meine Schuhe gekümmert habe, entgegnete er, das sei sein "Geschenk an Gott".

Als ich ihn bat, das genauer zu erklären, sagte er, er fühle sich gesegnet, ein Kind Gottes zu sein und Gottes überströmende Liebe zu empfangen. Weil er Gottes Liebe so dankbar anerkannte, achtete er darauf, dass aus all seinem Tun ein Geschenk an Gott wurde. Er erzählte mir, dass er Gottes Gegenwart in allem spürte, was er sah oder berührte. Als er so sprach, wurde deutlich, dass er in dem liebevollen Polieren meiner Schuhe seine Liebe zu Gott ausdrückte.

Ihn zu beobachten war fast so, als betrachte man einen Menschen im glückseligen Zustand der Meditation oder des Gebetes.

Ich traf bei diesem Mann sowohl auf eine tiefe Demut als auch auf ein intensives Glücklichsein. Er lehrte mich, dass alles, was wir im Leben tun, ein Geschenk an Gott sein kann. Er erinnerte mich daran, dass wir in jedes "Hallo!", in jede Berührung, in alles, was wir tun, selbst wenn wir Toiletten putzen, all unsere Liebe geben können, um sie Gott zu schenken.

Auf völlig unerwartete Weise verhalf mir ein Schuhputzer an diesem Tag zu einer tief greifenden spirituellen Erfahrung. Der Mann war ein Beispiel dafür, dass es nicht darauf ankommt, was wir tun, sondern wie wir es tun.

An diesem Abend war das Hauptthema meines Vortrags, dass wir Gottes Gegenwart in allem finden können, was wir tun - auch wenn wir uns die Schuhe putzen lassen."

Quelle: Gerald Jampolsky - Aus der Dunkelheit ans Licht)




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